Populationsmanagement im Tierpark Nordhorn – Verantwortung für Artenvielfalt
Im Tierpark Nordhorn verstehen wir uns nicht nur als Ort der Begegnung zwischen Mensch und Tier, sondern auch als wissenschaftlich geführte Einrichtung mit klarer Verantwortung für den Arterhalt. Ein zentrales Instrument dabei ist das Populationsmanagement – die gezielte, verantwortungsvolle Steuerung unserer Tierbestände.
Der gesellschaftliche Auftrag für uns als Zoos ist klar: Gesunde, genetisch vielfältige und sozial stabile, sich selbst erhaltende (Zoo)Populationen außerhalb des angestammten Lebensraumes. Dies erfordert ein funktionierendes Sozialgefüge, eine natürliche Altersstruktur, regelmäßige Fortpflanzung sowie weitere Managementmaßnahmen von Tiertausch bis zur ultima ratio, dem tierschutzgerechten Töten von Tieren.
Jede Tierart hat unseren Einsatz als Menschheit verdient, dass sie weiterleben kann!
Populationsmanagement bedeutet, nicht nur das einzelne Tier, sondern die gesamte Art im Blick zu behalten. Unser Handeln orientiert sich an den Richtlinien des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ), der Deutschen Tierpark-Gesellschaft (DTG), der EAZA sowie an geltenden Gesetzen wie § 42 Bundesnaturschutzgesetz.
Wir wissen: Dieses Thema bewegt viele Menschen. Deshalb setzen wir auf offene Kommunikation und laden unsere Besucher und Pressevertreter ein, sich vor Ort und online zu informieren – und mit uns in den Dialog zu treten.
Gemeinsam für den Artenschutz – jeder Zoobesuch unterstützt unsere Arbeit für bedrohte Tierarten.
Warum ist Populationsmanagement notwendig?
In der Wildbahn wird die Größe einer Population durch Faktoren wie Nahrungsangebot, Lebensraum, Krankheiten oder Fressfeinde geregelt. In menschlicher Obhut fehlen diese Mechanismen – deshalb müssen wir aktiv handeln, um Überpopulation, Inzucht und soziale Konflikte zu vermeiden. Wir arbeiten mit europäischen Zuchtprogrammen wie dem EEP (ex-situ Zuchtprogramm des Europäischen Zooverbandes EAZA ) zusammen. So stellen wir sicher, dass unsere Tierhaltung nicht isoliert, sondern Teil eines europaweiten Artenschutz-Netzwerks ist. Zuchtbuchkoordinatoren kennen den Gesamtbestand der Zoopopulationen und kümmern sich zooübergreifend um den entsprechenden Austausch der Tiere.
Eine Population, die sich nicht vermehrt, überaltert und stirbt aus, auch bei uns im Zoo.
Widersprechen sich denn Artenschutz und Tierschutz nicht?
Zoos betreiben Artenschutz auf Basis von Tierschutz. Die tierschutzgerechte Haltung jedes einzelnen Tieres ist unser Anliegen. Da wir dem Staatsziel Artenschutz verpflichtet sind, haben wir darüber hinaus aber das nachhaltige Überleben der gesamten Population einer Tierart im Blick. Also nicht nur ein Tier einer Tierart, sondern eben alle, die dazugehören. Und diese Aufgabe erfordert den Blick nicht nur bis an das Lebensende eines einzelnen Tieres zu werfen, sondern über Generationen hinweg.
Artenschutz ist also eine durchaus komplizierte Aufgabe, die viel Fachkenntnis, Einsatz und auch Entscheidungsfähigkeit verlangt. Es müssen komplexe Zusammenhänge beachtet und auch unbequeme Entscheidungen im Populationsmanagement getroffen werden.
Nicht nur zum Wohle eines einzelnen Tieres, sondern im Interesse der gesamten Tierart!
Gibt es einen Unterschied zwischen liebenswerten und weniger liebenswerten Arten?
Wir betreiben Artenschutz auf wissenschaftlich fundierter Basis. Im Tierpark Nordhorn gibt es viele verschiedene Tierarten von Affe bis Zebra. Es ist nur menschlich, dass jeder Besucher einzelne Tierarten persönlich unterschiedlich für sich bewertet, sei es nun Vogelspinne oder Sikahirsch. Bei ethischen Fragen im Artenschutz, insbesondere von Leben und Tod, gibt es aber keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Tierarten. Die emotionale Nähe oder der „Niedlichkeitsgrad“ einer Tierart hat keinen Einfluss auf die notwendigen Entscheidungen im Sinne des Artenschutzes.
Wer möchte, dass es auch in Zukunft noch viele Tierarten auf unserer Erde gibt, muss akzeptieren, dass auch der Tod zum (Über-)Leben einer Art dazugehört.
Welche Maßnahmen setzt der Tierpark Nordhorn im Populationsmanagement ein:
Je nach Tierart, Situation und Möglichkeiten setzen wir unterschiedliche Methoden ein:
- Abgabe an andere zoologische Einrichtungen – regelmäßiger Austausch im Rahmen von Zuchtprogrammen.
- Abgabe an Privatpersonen – möglich bei Haus- und Nutztieren, selten bei exotischen Arten.
- Reversible Verhütung – in Einzelfällen, um zeitweise Nachwuchs zu verhindern.
- Sterilisation oder Kastration – nur in Ausnahmefällen.
- Entnahme von Eiern – z. B. bei Vögeln, Reptilien, Amphibien oder Fischen, um unkontrollierte Vermehrung zu vermeiden.
- „Erhaltung durch Nutzen“ – eigene Nutztiere werden nachgezogen und schonend geschlachtet; das Fleisch wird in unserer Gastronomie oder als Tierfutter verwendet (www.erhalten-durch-aufessen.de).
- Auswilderung – erfolgreiche Beispiele sind z.B. Habichtskäuze und Feldgrillen, die wir in Schutzgebiete entlassen konnten.
- Tötung als Ultima Ratio – wenn dies dem Wohl der Gesamtpopulation dient.
Warum ist Verhütung in der Regel keine Alternative?
Das Sexualverhalten ist eine der elementarsten Verhaltensweisen von Tieren. Ein Unterbinden dieses lebenswichtigen Verhaltens muss ethisch gut begründbar sein.
Neben der ethischen Frage, sind aber auch biologische Fragen hierbei zu beachten. Eine irreversible Verhütung (Kastration/Sterilisation) beschneidet das Tier nicht nur von einer elementaren Verhaltensweise, es wird zudem auch für immer vom Artenschutz ausgeschlossen. Angesichts der begrenzten Platzkapazitäten in den Artenschutzprogrammen ist dies in der Regel also keine Option.
Reversible Verhütung birgt gravierende Risiken. In der Regel gibt es für Wildtiere keine zugelassenen Mittel, die Wirkung der Mittel ist für diese Tiere weder erforscht noch bekannt. Dies kann zu dauerhafter Unfruchtbarkeit führen. Auch sehr unregelmäßige oder zeitlich verzögerte Fortpflanzung kann zum gleichen Ergebnis führen. Die Folgen für den Erhalt einer Population sind verheerend.
Verhütung ist also für den Artenschutz keine nachhaltige Lösung.
Warum werden die Tiere nicht ausgewildert?
Erfreulicherweise konnten die Zoos bereits verschiedene Tierarten vor der Ausrottung bewahren und wieder in der Wildbahn ansiedeln. Der Europäische Wisent ist eines der bekanntesten Beispiele hierfür.
Als Tierpark Nordhorn freuen wir uns ebenfalls bereits zahlreiche Auswilderungen (z.B. Moorenten, Feldgrillen, Habichtskäuze) durchgeführt zu haben. Auswilderungen sind aber ein sehr komplexes Thema, hierfür gibt es strenge Regelungen und Kriterien (z.B. der IUCN). Auswilderung ist kein einfaches „wir setzen mal ein Tier irgendwohin“. Die Tiere müssen oft sehr lange auf die Auswilderung vorbereitet werden. Die Projekte müssen gut geplant, nachhaltig gemanagt und oftmals auf viele Jahre angelegt sein. In der Regel scheitern Auswilderungsprojekte an politischer Stabilität, der weiter fortschreitenden Zerstörung des Lebensraums und ähnlichen Faktoren. Ziel der Zoos ist es, Reservepopulationen in Menschenhand zu halten, um sich dann bietende Gelegenheiten für die Wiederansiedlung nutzen zu können.
Ultima Ratio – unser letztes Mittel
Dem Töten von Tieren geht immer ein gründlicher Entscheidungsprozess voraus. Diese Entscheidung wird stets wissenschaftlich und ethisch begründet und durch unsere Ethikkommission (inklusive Tierärzten, Biologen und Zooleitung) geprüft. Dabei achten wir auf ein stressfreies und schmerzarmes Verfahren – oft im vertrauten Umfeld der Tiere.




